BGH, Beschluss vom 25.01.2017, Az. XII ZR 69/16

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Vermieter kündigte im Hinblick auf § 550 BGB einen langfristig geschlossenen Gewerbemietvertrag vorzeitig unter Berufung auf einen Schriftformverstoß. Als Begründung hierfür gab er an, dass eine während des Mietverhältnisses erfolgte Änderung des Mietvertrages hinsichtlich des Nutzungszwecks nicht der gesetzlichen Schriftform entspräche. In der Mietvertragsurkunde war als Vertragszweck die „Lagerung von Stoffen und Kurzwaren“ angegeben worden. Tatsächlich wurde im Mietobjekt allerdings zwischenzeitlich ein Getränkehandel betrieben. Diese Umnutzung war dem Vermieter bekannt und wurde von diesem akzeptiert. Ein schriftlicher Nachtrag zum Mietvertrag hinsichtlich dieser Nutzungsänderung wurde von den Vertragsparteien jedoch nicht erstellt.

Der Mieter wehrte sich gegen die Kündigung mit dem Argument, dass die stillschweigende Duldung der Nutzungsänderung nicht zu einer Änderung des schriftlichen Mietvertrages geführt habe, da im Mietvertrag eine sog. „doppelte Schriftformklausel“ enthalten war. Nach dieser Klausel war nicht nur eine mündliche Änderung des Mietvertrages ausgeschlossen, sondern hätte auch eine Abweichung von dieser Regelung schriftlich vereinbart werden müssen. Wenn der Mietvertrag somit nicht mündlich bzw. konkludent geändert werden konnte, läge konsequenterweise auch kein Schriftformverstoß vor.

Der BGH folgte dieser Argumentation des Mieters nicht und bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung des Vermieters. Er begründete dies wie folgt:

Trotz der Verwendung einer „doppelten Schriftformklausel“ in einem Formularmietvertrag könne der Vertragsinhalt von den Parteien auch mündlich bzw. konkludent (stillschweigend) geändert werden. Dies ergebe sich aus § 305b BGB, wonach eine Individualabrede der Vertragsparteien stets einer Klausel im Formularmietvertrag vorgehe. Die stillschweigende Genehmigung der Änderung des Nutzungszwecks habe daher im vorliegenden Fall den Inhalt des Mietvertrages geändert. Da es sich beim Nutzungszweck um einen wesentlichen Vertragsbestandteil des Mietvertrages handle, hätte diese Vertragsänderung zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform in einem schriftlichen Nachtrag geregelt werden müssen. Da dies versäumt wurde, sei der Mietvertrag im Hinblick auf § 550 BGB vorzeitig, mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündbar gewesen.

Die Entscheidung zeigt, wie schnell sich ein Schriftformfehler in einen Gewerbemietvertrag „einschleichen“ kann, der dann für die Vertragspartei, die sich auf das Fortbestehen des Mietverhältnisses während der vereinbaren Festlaufzeit verlässt, zu fatalen Folgen führen kann. Bei jeder sich im Laufe des Mietverhältnisses ergebenden Veränderung der im schriftlichen Mietvertrag enthaltenen Regelungen muss daher geprüft werden, ob es sich um einen vertragswesentlichen Umstand handelt. Dies ist beispielsweise regelmäßig bei Veränderungen des Mietgegenstandes, der Miethöhe, der Vertragslaufzeit oder des Nutzungszwecks der Fall. In diesen Fällen muss die Änderung der vertraglichen Regelungen zwingend in einem schriftformgemäßen Nachtrag zum Mietvertrag fixiert werden. Geschieht dies nicht, kann sich ein Schriftformfehler ergeben, der dann zur vorzeitigen Kündbarkeit des Gewerbemietvertrages führt.

Dr. jur. Steffen Häussler LL.M.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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