Doch kein „digitaler Nachlass“?

Im Januar 2016 konnten wir noch ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.12.2015 verlautbaren, das sich mit der Vererbbarkeit eines Facebook-Accounts beschäftigte und zu der Auffassung gelangte, dass der Erbe, der zugleich Sorgeberechtigter eines 15-jährigen Kindes war, berechtigt ist, den Zugang zu dessen Netzwerk-Account zu fordern. Weder Vorschriften des Datenschutzes noch Persönlichkeitsrechte Dritter würden dem entgegenstehen (so der Leitsatz des Urteils LG Berlin vom 17.12.2015, Aktenzeichen 20 O 172/15).

Die Frage, ob der sogenannte „digitale Nachlass“ vererbbar ist, schien damit beantwortet zu sein. Die Auffassung des LG Berlin steht absolut im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Vererblichkeit und der Gesamtrechtsnachfolge. Denn gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Somit gehören auch Schriftstücke zum Nachlass, die sehr privaten Inhalt haben. Dies gilt insbesondere für Briefe, die der Erblasser erhalten hat. Diese grundsätzliche Zuordnung zum auf den oder die Erben übergehenden Nachlass hat demzufolge auch für den digitalen Nachlass zu gelten. Man könnte meinen, dies sei zwischenzeitlich allgemein anerkannt.

Doch das KG Berlin als zuständiges Berufungsgericht hob die eben zitierte Entscheidung des LG Berlin vom 17.12.2015 mit seinem Berufungsurteil vom 31.05.2017 (Aktenzeichen 21 U 9/16) auf, das in seinem Leitsatz folgendes klargestellt: Die Erben des verstorbenen Nutzers eines sozialen Netzwerks können aufgrund des Fernmeldegeheimnisses (§ 88 TKG) vom Anbieter des Dienstes so lange keinen Zugang zum Konto des Verstorbenen erhalten, wie dem nicht alle Kommunikationspartner zugestimmt haben, die mit dem Verstorbenen Kommunikationsinhalte ausgetauscht haben, die nur für diese beiden Nutzer oder nur einen eingeschränkten Personenkreis bestimmt waren.

Gibt es also doch keinen „digitalen Nachlass“?

Das KG Berlin lässt diese Frage jedenfalls ausdrücklich offen. Eine endgültige Entscheidung folgt jedenfalls noch, nachdem Revision eingelegt ist und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgen wird.

Sollte die Vererbbarkeit digitaler Inhalte wie Facebook-Accounts tatsächlich nicht gegeben sein, würde dies eine erhebliche Einschränkung für die Erben bedeuten, die gehindert wären, den Nachlass vollumfänglich abzuwickeln. Es bleibt also spannend.

In jedem Fall dürfte es sinnvoll sein, sich rechtzeitig selbst um „seinen digitalen Nachlass“ zu kümmern. Dies kann dadurch geschehen, dass im Wege einer optimalen Vorsorge- bzw. Nachfolgeplanung auch Vorkehrungen für den Zugang des oder der Bevollmächtigten / Erben zu digitalen Inhalten getroffen werden. Dies sollte optimaler Weise zusätzlich zur Erstellung einer Vorsorgevollmacht oder eines Testaments erfolgen.

MACKH | LANG Rechtsanwälte – PartGmbB

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